„Green Primary“ - Endspurt bei den europäischen Grünen

EGP launches Green Primary

Es geht in den Endspurt bei der „Green Primary“ der Europäischen Grünen Partei. Noch bis zum 28. Januar können alle EU-Bürgerinnen und Bürger, die mindestens 16 Jahre alt sind und sich zu den Inhalten Grüner Politik bekennen, entscheiden, wer das grüne, transnationale  Spitzenkandidat/innen-Duo für die Wahl zum Europäischen Parlament im Mai dieses Jahres sein soll.

Niemand hat sowas bisher versucht, niemand kann sagen, wie viele Menschen am Ende teilnehmen werden. Wann wird dieses Experiment zum Erfolg? Bei 20.000 abgegebenen Stimmen, bei 50.000, 100.000 oder erst bei einer Viertelmillion? Wann ein Misserfolg?  Aber ist es wirklich die absolute Stimmenzahl, die darüber entscheidet?

Zählt nicht vielmehr, dass in Madrid, Köln oder Athen die Veranstaltungssäle rappelvoll waren, als die Bewerber/innen sich den Fragen der Bürgerinnen und  Bürgern stellten und über ihre Vision eines grüneren Europas sprachen? Und ist nicht der eigentliche Verdienst des Experiments „Green Primary“, dass eine Europäische Mutterpartei und ihre Mitgliedsparteien nicht nur mehr Mitsprache in europäischer Politik für die Bürgerinnen und Bürger einfordern, sondern sie auch ganz praktisch vorleben?

Es ist daher wohlfeil von so mancher Journalistin oder grünem Amts- oder Mandatsträger Rebecca Harms, Jose Bove, Ska Keller und Monica Frassoni vorzuwerfen, dass sie zu unbekannt seien. Es ist für einige offenbar schwer zu glauben, dass jemand aus Polen den Franzosen Jose Bove wählen würde oder ein Bürger aus Irland die Italienerin Monica Frassoni. Nun, vielleicht ist das sogar so. Aber wie soll denn eine transnationale, europäische Öffentlichkeit entstehen, wenn nicht durch Projekte wie das der #greenprimary? Eine entsprechende EU-Richtlinie wird es (Gott sei Dank) in diesem Fall nicht richten können.

Und ist der Weg der anderen Parteienfamilien der bessere, bei dem die europäischen Parteienvorstände bzw. die einflussreichsten Mitgliedsparteien einen Kandidaten hinter verschlossenen Türen ausklüngeln? Und wer hindert denn jene Medien, die Kritik am mangelnden Bekanntheitsgrad der vier Kandidat/innen geäußert haben, daran, sich mit ihnen inhaltlich auseinanderzusetzen und damit zur Schaffung dieser europäischen Öffentlichkeit beizutragen? Ist es nicht sogar zwingender denn je, mehr für das Entstehen einer europäischen Öffentlichkeit, für europäische Debatten und für eine transnationale Denkweise zu tun angesichts populistischer und radikalen Parteien, die Europa wieder in DIE Deutschen, DIE Finnen, DIE Ungarn einteilen wollen?

Ohne Frage, das zu wählende Spitzenduo bei den #greenprimary wird nur ein symbolisches sein. Es wird keinen Wahlzettel mit ihren gemeinsamen Namen darauf geben, denn die Wahlen zum Europäischen Parlament sind bis heute 28 nationale Wahlen, bei denen die Wählerinnen und Wähler die, den ihren Mitgliedsstaaten jeweils zustehenden, Sitzkontingente gemäß des Vertrags von Lissabon vergeben. Doch sind ausgerechnet die Grünen die richtigen Adressaten für Vorwürfe, dass man die gewählten Kandidat/innen gar nicht europaweit wählen könne? Nein, denn es ist die grüne Parteienfamilie, die schon lange für transnationale Wahllisten bei den Europawahlen wirbt mit dem Ziel, dass der/die Präsident/in der Europäischen Kommission zukünftig aus den Reihen der EU-Parlamentarier kommt. Sie setzen sich schon lange dafür ein, dass Schluss ist mit einem Personalvorschlag für den/die Kommissionspräsident/in, der von den Staats- und Regierungschefs, hinter denen doch nur die beiden großen Parteienfamilien, EPP (zu der u.a. CDU/CSU gehören) und PES (zu der u.a. die SPD gehört) gemacht wird.

Werden die #greenprimary zu einem Erfolg, dann wird es zukünftig schwerer für die anderen Parteien sein, dem grünen Beispiel nicht zu folgen und dann bleibt zu hoffen, dass auch sie ihren Parteianhängern mehr Mitsprache bei der Kandidatenkür einräumen – zumal die Europäische Grüne Partei mit einem weiteren Tabu bricht: Bisher war die Zahl der Sitze, die einem Mitgliedsland im EP zustehen, und die damit verbundene unterschiedliche Zahl an absoluten Stimmen, die für eine Kandidatin / einen Kandidaten nötig waren, um einen solchen zu erringen, je nach Einwohnerzahl eines Landes unterschiedlich. Die Grünen Europas brechen nun mit dieser Logik. Es gilt „One man/One woman – one vote“ und das Ergebnis dieser parteiinternen Abstimmung wird auch nicht nach nationalen Stimmenvergaben aufgeschlüsselt, sondern es wird jeweils nur die Gesamtzahl an Stimmen bekanntgegeben, die er/sie auf sich vereinen konnte. Es wird also ein wirklich europäisches Wahlergebnis am Ende der #greenprimary stehen.

Es verbleiben noch rund drei Wochen bis zur Schließung des Online-Wahllokals und es kostet gerade einmal 5 min von der Registrierung bis zur Stimmabgabe. Wer es noch nicht versucht hat, kann also noch mitmachen.

So einfach geht demokratische Mitentscheidung in der EU manchmal. Und wenn in fünf Jahren eine andere Parteienfamilie die Grünen vielleicht mit einem noch ausgeklügelteren Direktwahlverfahren trumpft, dann belebt das den Wettbewerb zwischen den demokratischen Parteien. Und wenn es etwas gibt, wovon die Europäische Union mehr vertragen könnte, dann definitiv davon.